Auswanderung der Eydelstedter Bultmanns

1830 - 1845

Der Beginn

Der erste, der den Bultmann-Hof verließ, um in die USA auszuwandern, war Christian Friedrich Bultmann (1813-1884), der älteste Sohn des letzten Hofbesitzers. Da er zu diesem Zeitpunkt erst 17 Jahre alt war, hatte sein Vater für ihn die Entlassung aus dem Hannoverschen Unter-tanenverband beantragen müssen. Die Verhandlung fand am 17.9.1830 vor dem Amt in Diepholz statt, bei der die Entlassung bewilligt wurde. Hartmann führt als Anlass für die Auswanderung eine Einladung von Verwandten und Freunden an. Bisher ist nicht bekannt, mit welchem Schiff Christian F. Bultmann Europa verlassen hat.

Er hat in Cincinnati (Ohio) Erfolg gehabt und war Eigentümer eines Textilgeschäfts. Als Einzelperson ist er bereits 1840 im United States Federal Census von Cincinnati (Ohio) nachzuweisen, zusammen mit seiner Familie in den Verzeichnissen von 1850, 1860 und 1870. 

Christian Friedrich ist Mitbegründer (1843) des Zweiten deutschen protestantischen Friedhofs in Cincinnati (seit 1941 offizieller Name: Walnut Hills Cemetery). Sein Sterbedatum, 19. September 1884, ist dem Gräberverzeichnis dieses Friedhofs zu entnehmen.

Aus dem Protokoll der Verhandlung über die Entlassung aus dem 

Untertanenverband vom 17. September 1830 in Diepholz

Verkauf des Bultmann-Hofes und Auswanderung

Die letzten Bultmanns aus Eydelstedt wanderten 1845 nach dem Verkauf des Hofes aus. Nach der Darstellung von Hartmann waren das neben dem letzten Hofbesitzer, Johann Hinrich Bultmann, seine Frau Anne Dorothee, der zweite Sohn Diedrich Ludwig und die Tochter Anne Margrethe, die ihrem ältesten Sohn bzw. Bruder folgen wollten. Inzwischen ist mir aber die amtliche Niederschrift der Verkaufsverhandlung zwischen Johann Hinrich Bultmann und dem Stellnachfolger Berhard Hinrich Detering bekannt geworden, aus der hervorgeht, dass der zweite Sohn schon sechs Jahre vor dem Verkauf des Hofes ausgewandert ist. 

Es erhebt sich zwangsläufig die Frage, warum ein 67-Jähriger Haus und Hof verkauft und auswandert, da es doch für ihn und seine Ehefrau in Amerika keine Zukunft mehr gegeben haben kann. Da die wirklichen Gründe nicht überliefert sind, hier der Versuch einer Antwort: Ver-mutlich konnten Johann Hinrich und seine Frau in Eydelstedt keine vernünftige Altenteilerregelung mehr erwarten, während in Cincinnati eine Alterssicherung durch die beiden Söhne und die Enkel möglich schien. Notwendige Folge: Aufgabe des Hofes und Auswanderung zusammen mit der Tochter. Der Verkaufspreis von 1700 Talern Courant bzw. 1500 Talern Gold erscheint insbesondere im Vergleich mit den späteren Auktionserlösen des Bultmannschen Inventars durch den Stellnachfolger B. H. Detering etwas niedrig. Der Grund lag mög-licherweise in der Eile, in der der Hof verkauft werden musste, um gemeinsam mit anderen Auswanderungswilligen aus der Gegend um Eydelstedt die Reise in die USA antreten zu können.

Die Überfahrt

Die Familie fuhr mit einem Segelschiff, der Bremer Bark "Leontine" unter Kapitän Gerhard Thormann, von Bremen nach New Orleans. Die am Zielort erstellte Passagierliste führt sie als Zwischendeckpassagiere auf. Überfahrten im Zwischendeck waren verhältnismäßig preisgünstig, weil hier auf der Rückfahrt Massengüter wie Tabak und Baumwolle transportiert wurden. Die Unterkunft im Zwischendeck auf den Schiffen der damaligen Zeit war aber sehr primitiv und beengt. Dort war es dunkel und schlecht belüftet. Die hygienischen Zustände waren schlimm. Erst 1849 verlangte eine bremische Verordnung, dass auf den Auswandererschiffen unter der Bremer "Speckflagge" ab 125 Passagieren vier Toiletten vorhanden sein mussten, wobei einfache Verschläge mit Eimern als ausreichend angesehen wurden.

Die “Leontine”, die zwischen 30 und 40 Metern lang gewesen sein muss, hat die Reise am 9. Oktober 1845 von Bremen (d. h. Bremerhaven) mit 132 Passagieren angetreten. Ein Passagier ist während der Reise gestorben, ein Junge wurde geboren. Am 13. Dezember 1845 erreichte das Schiff New Orleans.  Unter Nr. 68 bis 70 der Passagierliste sind vermerkt: Henry Bultmann (age: 66), Ann Dorothea Bultmann (age: 66), Ann Margaret Bultmann (age: 25). Als Beruf ist bei Henry “Farmer” angegeben. Herkunftsort: Eilstedt, Zielort: Cincinati.

Der Passagierliste ist zu entnehmen, dass mit diesem Schiff noch weitere Personen aus dem Kirchspiel Barn-storf auswanderten, so z. B. Hermann Henry Bultmann, Henry Hüsker oder Hüscher und Lucia (?) Wilhelmina Aufurth aus Eydelstedt, eine Familie Brandt aus Düste, Henry Hohnstedt aus Barnstorf. Eine ganze Reihe von Personen stammten aus Dunsdorf. Vielleicht ist damit Donstorf gemeint. Der größte Teil der Auswanderer gab als Ziel "Cincinati" an. Der Weg von New Orleans im Süden der USA nach Ohio war sehr weit (ca. 1700 km). Vermutlich konnte man um diese Zeit schon eine Schiffspassage auf dem Missisippi buchen. Dadurch wurde der weite Weg erheblich erleichtert.

Für Johann Hinrich Bultmann und seine Frau Anne Dorothee wird ihre letzte Lebenszeit in einem fremden Land nicht leicht gewesen sein. Wann Johann Hinrich gestorben ist oder ob er Cincinnati überhaupt erreicht hat, ist bislang nicht bekannt. Das Sterbedatum von Anne Dorothee verzeichnet das Gräberverzeichnis des Walnut Hills Cemetery in Cincinnati: 9. Dezember 1856.

Fazit

Die Auswanderung des letzten Besitzers und seiner Kinder bedeutete das Ende einer mindestens 300 Jahre alten bäuerlichen Tradition der Bultmann-Familie in Eydelstedt. Trotzdem blieb der Name noch eine Weile erhalten, da der Stellnachfolger, der Zimmermann und Müller Bernhard Hinrich Detering, nach dem Hof Bultmann genannt wurde.

Was ist aus den Auswanderern geworden?

Bis vor wenigen Jahren war bei uns über das Schicksal der Auswanderer nach ihrer Ausreise nichts bekannt. Internetrecherchen förder-ten aber erste Ergebnisse zu Tage: Namen und Altersangaben der Ehepartner und Kinder von Christian Friedrich und Diedrich Ludwig Bultmann konnten in verschiedenen Jahrgängen des United States Federal Census von Cincinnati (Ohio), Sterbedaten in den Gräberver-zeichnissen zweier Friedhöfe in Cincinnati gefunden werden.

Der Informationsaustausch mit einer amerikanischen Familienforscherin, Gayle Putt, erweiterte meine Kenntnisse über die Nachfahren von Christian Friedrich Bultmann  bis in die Gegenwart hinein. Zeitungsausschnitte aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert belegen, dass die Familie Bultmann in Cincinnati eine sehr geachtete Familie war.  Unter den Nachfahren gibt es heute den Namen Bultmann allerdings nicht mehr.

Ganz soweit reicht der Kenntnisstand über die Nachfahren von Christian Friedrichs Bruders Diedrich Ludwig nicht. Über dessen Tochter Matilda sind zwei weitere Generationen bekannt geworden. Immerhin sind wir damit auch in dieser Linie im 20. Jahrhundert angekom-men (Quelle: Gayle Putt).

Über das Schicksal der Schwester von Christian Friedrich und Diedrich Ludwig ist nach wie vor nichts bekannt.


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